Transparente Lehrerzuweisung nach sozialen Kriterien

Appell der Personalräte der Integrierten Gesamtschulen

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Mit einem offenen Brief wandten sich die Personalräte der elf Integrierten Gesamtschulen im Kreis Groß-Gerau und im Main-Taunus-Kreis an die Verhandlungsdelegationen von CDU und GRÜNEN, die zur Zeit über die Bildung einer Koalition und die Bildung einer neuen hessischen Landesregierung beraten. In dem Brief der Personalräte, die sich nicht zum ersten Mal gemeinsam zu Wort melden und im letzten Jahr Gespräche unter anderem mit Abgeordneten von SPD und GRÜNEN in Wiesbaden führten, geht es vor allem um die vielen befristeten Arbeitsverträge, die Intensivklassen für Seiteneinsteiger, die Inklusion und die zunehmenden sozialen Konflikten mit den Auswirkungen auf die Integrierten Gesamtschulen, die in ihrer Schülerschaft das gesamte soziale Spektrum abbilden. In Kopie ging der Brief auch an alle im Kreis Groß-Gerau und im Main-Taunus-Kreis gewählten Landtagsabgeordneten von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und LINKE.

Besetzung von freien Lehrerstellen

Bei der Besetzung von freien Lehrerstellen war die Kritik der Personalräte in früheren Briefen nicht wirkungslos geblieben. In keiner anderen Schulform im Kreis Groß-Gerau und im Main-Taunus-Kreis gab es so viele befristete Arbeitsverträge: Anfang 2017 waren an den Integrierten Gesamtschulen 20 Prozent der Stellen mit befristeten Verträgen abgedeckt worden, an den Gymnasien der Region waren es gerade einmal 5 Prozent. In den letzten Monaten konnten inzwischen alle ausgebildeten Lehrkräfte, die sich an einer IGS beworben haben, auch unbefristet eingestellt werden. Trotzdem ist die Zahl der Befristungen nicht gesunken, weil zunehmend weniger Lehrkräfte mit Lehramt zur Verfügung stehen und Kolleginnen und Kollegen ohne Lehramt nur befristet eingestellt werden können. Die Personalräte fordern die Koalitionsparteien deshalb auf, „Weiterbildungsangebote für Kolleginnen und Kollegen ohne Lehramt einzurichten, um ihnen zu akzeptablen Bedingungen einen Zugang zu einer unbefristeten Beschäftigung und die Gleichstellung mit einem Lehramt zu ermöglichen.“ Für Mentorinnen und Mentoren, die ihnen zur Seite stehen, fordern die Personalräte Entlastungsstunden.

Ressourcen für Intensivklassen erhalten

Der Rückgang der Zahl geflüchteter junger Menschen darf nach dem Willen der IGS-Personalräte auf keinen Fall dazu führen, „dass die Ressourcen für die Intensivklassen und vor allem auch für die Nachförderung beim Übergang in die Regelklassen und bei einer Anschlussförderung nach dem Verlassen der Schule gekürzt werden“. Der Zuzug von Familien aus dem EU-Ausland, deren Kinder einer umfassenden sprachlichen Förderung bedürfen, hält schließlich weiter an. Außerdem fordern die Personalräte, dass die Regelungen der Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses, wonach der Unterricht in Intensivklassen in der Sekundarstufe I „mindestens 28 Wochenstunden“ umfassen soll, endlich umgesetzt werden (§ 50 Absatz 3).

Wege zur Inklusion

Die IGS-Personalräte erinnern daran, dass gerade die Integrierten Gesamtschulen im Kreis Groß-Gerau und im Main-Taunus-Kreis „über lange Erfahrungen im Gemeinsamen Unterrichts und in der inklusiven Bildung in heterogenen Gruppen“ verfügen. Auch wenn sie der „Festlegung von Schwerpunktschulen kritisch gegenüber stehen, nehmen Integrierten Gesamtschulen genau diese Rolle ein“. Sie zeigen sich besorgt, dass auch in den Kollegien, die sich immer dieser Aufgabe gestellt haben, „die Motivation sinkt und die Belastungsgrenze überschritten ist“, da gerade die Integrierten Gesamtschulen unmittelbar mit Kinderarmut, Gettobildung und Gewalt konfrontiert sind. Die IGS-Personalräte fordern deshalb „kleinere Lerngruppen, wie sie im Gemeinsamen Unterricht vorgeschrieben waren“, eine feste Verankerung der sonderpädagogischen Fachkräfte in den Kollegien der Gesamtschulen und eine durchgehende Doppelbesetzung in allen Klassen mit Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die Koordination in den multiprofessionellen Teams müsse durch Anrechnungsstunden ausgeglichen werden.

Die Personalräte verweisen darauf, dass der Kreis Groß-Gerau der hessische Landkreis mit dem höchsten Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund und mit dem höchsten Anteil von Kindern aus Familien mit Hartz-IV-Bezug ist. Sie fordern für Schulen in den Ballungsräumen, in denen sich die sozialen Problemlagen von Kinderarmut über Migration bis zu unterschiedlichen Formen von Jugendgewalt verdichten, kleinere Klassen und „eine deutliche Ausweitung der sozialindizierten Lehrerzuweisung und deren unmittelbare Zuweisung an die Schulen im sozialen Brennpunkt“.

Sie fordern außerdem klare Vorgaben des Kultusministeriums für die Transparenz der Lehrerzuweisung gegenüber Kollegien und Personalräten, insbesondere über die Zuweisung für die außerunterrichtlichen Aufgaben und die Verwendung der diversen Zuschläge und der Deputatsstunden. Sie fordern, die Zuständigkeiten der Gesamtkonferenz zu erweitern und in § 133 des Schulgesetzes einzufügen, dass die Verwendung des Zuschlags zur Grundunterrichtsversorgung und der zusätzlichen Zuweisung nach Sozialindex von der Gesamtkonferenz beschlossen werden muss.

Unterzeichnet wurde der Brief von den Personalräten der IGS Kelsterbach, der Anne-Frank-Schule Raunheim, der Alexander-von-Humboldt-Schule Rüsselsheim, der Gerhart-Hauptmann-Schule Rüsselsheim, der IGS Mainspitze, der Bertha-von-Suttner-Schule Mörfelden-Walldorf, der Martin-Buber-Schule Groß-Gerau, der Martin-Niemöller-Schule Riedstadt, der Johannes-Gutenberg-Schule Gernsheim, der Friedrich-Ebert-Schule Schwalbach und der Heinrich-von-Brentano-Schule Hochheim.