Stellungnahme des Kreisverbands der GEW Groß-Gerau

zum geplanten Mittelstufengymnasium in Bischofsheim und Provisorium auf dem Gelände der IGS Mainspitze

Die Pläne für ein neues Mittelstufengymnasium im Nordkreis und ein Provisorium auf dem Gelände der IGS Mainspitze sorgten nicht nur bei den direkt betroffenen Schulgemeinden für große Überraschung und anhaltende kontroverse Diskussionen, was nicht zuletzt durch zahlreiche Pressartikel, einen Informationsabend und eine Petition zum Ausdruck kommt.

Der Kreisvorstand der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Groß-Gerau hat sich intern und im Austausch mit den betroffenen Schulen, den Kreistagsfraktionen der Grünen und der CDU, Herrn Stein als Vorsitzenden des Kreiselternbeirats und Landrat Will mit Mitarbeiterinnen mit diesem Vorhaben auseinandergesetzt. 

Im Kreisvorstand der GEW arbeiten Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten intensiv zusammen und kennen deshalb die Potentiale der unterschiedlichen Schulsysteme sehr gut, woraus sich in diesem konkreten Fall schulorganisatorische, pädagogische und nicht zuletzt auch bildungspolitische Fragen und Bedenken ergeben, gerade vor dem Hintergrund der überraschenden Abweichung vom geltenden Schulentwicklungsplan des Kreises und der angeblich gebotenen Eile. Ein unerwartet starker Anstieg der Bevölkerung, der ausgeprägte Elternwunsch nach Plätzen an Gymnasien und ein deutlich herabgesetzter bzw. kein Zugang für Kreiskinder an diese Schulart in Rüsselsheim, Mainz oder Kelsterbach werden als Gründe für diese Abweichung angeführt und auf das Argument der Kosten bei der Wahl der Standorte für das mehrjährige Provisorium an der IGS Mainspitze und den späteren Schulneubau in Bischofsheim verwiesen. All diese Zwänge sind nicht in den letzten Wochen entstanden, sie waren schon lange, spätestens seit den Lenkungen der letzten beiden Jahre absehbar. Dass man nun zur Eile antreibt ohne Alternativen geprüft zu haben, lässt das politische Handeln fragwürdig wirken. Aus unserer Sicht hätte man an dieser Stelle mit Weitsicht, Fingerspitzengefühl und – ganz besonders wichtig – guter Kommunikation agieren müssen. Alternativen zum jetzigen Vorgehen wie z.B. der Umwidmung der IGS in eine KGS und deren Ausbau hätten zumindest angedacht werden müssen. Noch besser wäre aus unserer Sicht die politische Entscheidung gewesen, im Rahmen der Schülerlenkung dem Wunsch der Eltern nach einem gymnasialen Bildungsgang für ihr Kind auch mit Zuweisungen an die IGSen nachzukommen. 

Eine mehrjährige Container- bzw. Modullösung an der IGS Mainspitze wird dieser Schule in ihrer Entwicklung nachhaltig schaden und für den finanziell knappen Kreis sehr teuer. Dieses Geld fehlt z. B. für die Instandsetzung zahlreicher anderer Schulen, den Ausbau der Martin-Niemöller-Schule mit einer Oberstufe oder den noch dringender benötigten Bau einer weiteren Sek-1-Schule im Südkreis.

Wenn man davon ausgeht, dass sich das Provisorium des Gymnasiums für mindestens 4 bis 5 Jahre auf dem Gelände der IGS Mainspitze befindet, ist noch nicht geklärt, wie etwa das höhere Verkehrsaufkommen durch Busse und Individualverkehr, unterschiedliche Start- und Pausenzeiten, Mensabetrieb oder Ganztag organisiert werden, ohne dass der Unterricht für alle gestört wird. Die Verfügbarkeit von Fachräumen für Kunst, Musik oder Naturwissenschaften oder der Sporthalle stelle aus Sicht des Landrats kein Problem dar, wenngleich zum Zeitpunkt des Gesprächs am 1.11.23 kaum konkrete Lösungen vorlagen. Überhaupt wolle man seitens des Kreises nichts gegen den Willen der IGS unternehmen und verweist ansonsten im Hinblick auf diese und andere Fragen auf die Projektgruppen der IGS Mainspitze und des Neuen Gymnasiums, wobei der Kreisvorstand der GEW befürchtet, dass diese durch die Fülle der zu lösenden Aufgaben überfordert werden könnten. Mit erheblicher Mehrarbeit für die Lehrkräfte beider Schulen ist sicher zu rechnen. 

Die Entscheidung, dass Lehrerinnen und Lehrer des Neuen Gymnasiums Rüsselsheim den Aufbau der neuen Schule übernehmen sollen, ist für uns nicht nachvollziehbar.Die IGS Mainspitze hat zahlreiche Gymnasiallehrerinnen und -lehrer in ihren Reihen, die auf jeden Fall auch zu fragen sind, ob sie an einem Gymnasium auf dem Gelände der IGS unterrichten möchten. 

Darüber hinaus sieht die GEW den Optimismus des Landrats kritisch, dass sich der gemeinsame Alltag der Schülerinnen und Schüler beider Schulen bzw. Schulsysteme auf einem Gelände auch in sozialer Hinsicht ohne größere Probleme vollziehen werde, da auf dem Schulhof dann durchaus ein Konfliktpotential besteht. Auf jeden Fall würde die IGS, die von ihrer Anlage her alle drei Bildungsgänge anbietet, durch diese Entscheidung mindestens während der Jahre mit dem Provisorium, wohl aber auch nachhaltig geschwächt, weshalb der Schulelternbeirat der Schule auch befürchtet, dass die Schule zum „Auffangbecken für gescheiterte Gymnasiasten“ wird.

Die GEW stellt fest, dass eine recht große Gruppe von Schülerinnen und Schülern an den Gymnasien trotz des Engagements der Lehrerinnen und Lehrer nicht erfolgreich arbeiten, da dieses System mit Klassen von 30 oder mehr Kindern, begrenzten Förderungs- und kaum Differenzierungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht unflexibler ist, was nicht selten zu einer Abwärtsspirale bei den Leistungen und der Motivation der Lernenden führt. Dagegen verfügt eine integrierte Gesamtschule über kleinere Klassen, bessere Möglichkeiten bei der Differenzierung und Förderung, schon länger über multiprofessionelle Teams, auch im Hinblick auf die Inklusion, um den individuellen Bedürfnissen der Lernenden besser gerecht zu werden – wenn bedeutend mehr Geld und Ressourcen für diese Dinge in die Schulform IGS fließen. Vermutlich bezweifeln nicht nur wir, dass die IGS die notwendigen Mittel erhält, sondern auch die Eltern. Daher entscheiden sich die Eltern lernschwächerer Kinder oft für ein Gymnasium, was wiederum zu einem größeren Andrang an den Gymnasien führt, wodurch aber eine Art Teufelskreis entsteht. 

Landrat Will äußert, dass man durch die geplante Schule im Kreis im Verhältnis nicht mehr Plätze an Gymnasien schaffen wolle, da die Schülerinnen und Schüler zuvor Plätze an dieser Schulart in Rüsselsheim und Mainz bekommen haben und dass die Zahlen die Einrichtung einer gymnasiale Oberstufe an der IGS Mainspitze nicht hergeben. In ihrer Broschüre zur letzten Landtagswahl klingt die SPD allerdings ambitionierter: „Entsprechend wollen wir die individuelle Förderung und längeres gemeinsames Lernen fördern. Dabei setzen wir auf Binnendifferenzierung in integrierten Gesamtschulen und vielfältige Bildungsangebote unter einem Dach“. Auch bei Grünen und Linken findet man ähnliche Formulierungen. Da der Bedarf an Plätzen an Schulen der Sekundarstufe 1 gerade im Nordkreis insgesamt steigt, ist absehbar, dass er perspektivisch auch in der Sekundarstufe 2 zunehmen wird. Eine gymnasiale Oberstufe kann die IGS Mainspitze auch für Eltern attraktiver machen und würde sie im Unterschied zum geplanten Vorhaben stärken. 

 

Es geht um Weichenstellungen für die Zukunft der Bildungslandschaft des Kreises!

 

 

Die Vorsitzenden des Kreisverbands der GEW Groß-Gerau

 

Claudia Kuse      Doro Schäfer    Margot Marz     Nathalie Thoumas     Robert Hottinger