Es ist Zeit für bessere Lern- und Arbeitsbedingungen!

Resolution des Personalräte- und GEW-Vertrauensleutetreffen am 05. Juli in Kriftel

 

Resolution der Schulpersonalräte und GEW-Vertrauensleute des Main-Taunus-Kreises
Kriftel, 05.07.2023
Gesellschaftliche Prozesse und technologische Entwicklungen erfordern eine ständige Anpassung von Erziehung, Bildung und Ausbildung, um Kinder und Jugendliche zu Selbstständigkeit und freier Willensbildung zu befähigen. So soll ihnen der Weg in ein glückliches, soziales und verantwortungs-bewusstes Leben geebnet werden. 
Lehrkräfte und Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sind Leitfiguren, die den Blick der Kinder auf sich selbst, aber auch auf ihr Handeln in der Gesellschaft entscheidend prägen. Im Bewusstsein dessen nehmen wir diese immer neuen Herausforderungen an.

Die Bedingungen, unter denen wir Lehrkräfte und Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen dieser wichtigen Arbeit nachkommen, haben sich allerdings in den letzten Jahren und Jahrzehnten zunehmend verschlechtert. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, befürchten wir, zukünftig unserem Auftrag, jede Schülerin und jeden Schüler bestmöglich zu fördern und zu unterstützen, nicht mehr nachkommen zu können.

Dies liegt zum einen an dem allgegenwärtigen Lehrkräftemangel. Auch in unserem Landkreis fällt es immer schwerer, ausgebildetes Personal zur Abdeckung von Unterricht, Förderung und Ganztag zu finden. Sehr viele Stunden, die uns nach dem Zuweisungserlass (theoretisch) zur Verfügung stehen, sind nicht durch vollausgebildete Lehrkräfte abgedeckt.

Der Lehrkräftemangel führt zu einer stetig steigenden Arbeitsbelastung. Laut einer repräsentativen Erhebung der Uni Göttingen im Raum Frankfurt im Jahr 2020 arbeiten Lehrkräfte im Schnitt 48 Stunden und 27 Minuten – und das jede Woche. Diese Mehrarbeit weit über die rechtlich maximal zulässige Grenze hinaus ist auch an unseren Schulen an der Tagesordnung. Diese Überschreitung der Höchstgrenze des Arbeitszeitgesetzes führt auf Dauer zu erheblichen gesundheitlichen Risiken. Eine derart hohe Arbeitsbelastung ist nicht länger hinnehmbar!

Auch auf den Lehrkräftemangel wirkt sich diese Arbeitsbelastung aus. An unseren Schulen arbeiten zahlreiche Studierende, die ein Lehramt anstreben, als Vertretungslehrkräfte. Andere absolvieren an unseren Schulen ihre schulpraktischen Studien. Die hoch belastenden Arbeitsbedingungen bleiben ihnen nicht verborgen. Daher haben wir die Sorge, dass die erlebte hohe Arbeitsbelastung abschreckend auf den Lehrkräfte-Nachwuchs wirkt. Die Statistiken zu den Lehramtsstudierenden stützen unsere Befürchtungen. Nur 40 Prozent derer, die ein Lehramtsstudium aufnehmen, beenden es schließlich mit dem Ablegen des 2. Staatsexamens. In einigen Studiengängen liegt die Zahl der Abbrecherinnen und Abbrecher deutlich höher. Die aktuell zudem rückläufigen Studierendenzahlen in vielen Lehramtsstudiengängen werden dazu führen, dass der Lehrkräftemangel sich verschärft, wenn nicht umgehend gegengesteuert wird.

Ein deutliches Warnsignal ist auch ein Befund von Untersuchungen der Universität Göttingen, dass sich immer mehr Berufsanfänger (zwischen 10 und 30 Prozent) aufgrund der großen Belastungen bereits in den ersten Jahren als Lehrkraft mit Möglichkeiten des vorzeitigen Ruhestandes beschäftigen. Dies zeigt, dass es ein „Weiter so“ nicht geben darf!

Der geschilderten Situation zum Trotz erhöht sich die Zahl der Aufgaben, die an Schulen erledigt werden sollen, stetig. Neue Aufgaben mögen häufig sinnvoll sein. Ohne eine Analyse der für die Erledigung benötigten zeitlichen Ressourcen und der entsprechenden Zuweisung an unsere Schulen werden wir aber nicht in der Lage sein, diesen tatsächlich nachzukommen. Hier muss ein Umdenken stattfinden!