Das Schuljahr hat begonnen

Informationen zur Lage an den Schule

Kultusminister Lorz hält die Schulen im neuen Schuljahr – so der Tenor seiner Pressekonferenz – für „hervorragend aufgestellt“.  Das für die Kreise Groß-Gerau und Main-Taunus zuständige Staatliche Schulamt Rüsselsheim hält sich in seiner Pressemitteilung zum Schuljahresbeginn mit Superlativen zurück, sondern hält die Personalversorgung für „insgesamt auskömmlich“ und beschränkt sich ansonsten auf die nüchternen Zahlen. Danach ist die Zahl der Schulanfängerinnen und Schulanfänger im Main-Taunus-Kreis konstant, während sie im Kreis Groß-Gerau weiter leicht, aber mit 2 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt ansteigt.

Weder das Kultusministerium noch die Staatlichen Schulämter veröffentlichen Zahlen über den konkreten Lehrkräftemangel insbesondere an Grundschulen und im Bereich der sonderpädagogischen Förderung. Die Aussage des Kultusministers, dass „alle Stellen besetzt“ wurden, verschleiert, wie hoch der Anteil der Lehrkräfte ist, die keine abgeschlossene Lehrerausbildung haben. Insbesondere in den Grundschulen und im Bereich der sonderpädagogischen Förderung konnten viele Lücken in den Stunden- und Einsatzplänen nur mit Kolleginnen und Kollegen geschlossen werden, die keine Lehrerausbildung haben. Die Zahl der Lehrkräfte mit den Lehrämtern für Gymnasien und Haupt- und Realschulen, die eine aufwändige und kräftezehrende berufsbegleitende Qualifizierung  für die Lehrämter an Grundschulen  und Förderschulen absolvieren, ist hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Im Schulamt GG/MTK sind es gerade zwei an Förderschulen und acht an Grundschulen.  

Steigende Schülerzahlen – große Klassen

Steigende Schülerzahlen verzeichnen insbesondere auch die Gymnasien und Gymnasialzweige an den Kooperativen Gesamtschulen im Main-Taunus-Kreis und die Integrierten Gesamtschulen. Die Gesamtzahlen verdecken allerdings die Dramatik der Entwicklung an einzelnen Schulen. So mussten die Martin-Buber-Schule in Groß-Gerau und die Bertha-von-Suttner-Schule in Mörfelden-Walldorf im neuen 5. Jahrgang zehn Parallelklassen einrichten: Hier platzen die Schulen aus allen Nähten. Die Probleme sind allerdings nicht nur räumlicher Art, wie der Personalrat der Martin-Buber-Schule in seiner Stellungnahme zum Schuljahresbeginn deutlich machte:

„Genau genommen begann das neue Schuljahr in den letzten Wochen des alten. Wir erfuhren, dass unsere vormals vierzügige – man soll ja wissen, wo man herkommt und soweit reicht das Gedächtnis des Personalrats – dann irgendwann erfolgreich sechszügige und später zähneknirschend achtzügige IGS nun zunächst neun- und dann zehnzügig werden soll, wobei Kollegium und Räume keineswegs in entsprechender Weise mitgewachsen sind. Wenn der Schein vom ‚Bildungsfrühstück‘ nicht trügt, rechnet Landrat Will (SPD) – ‚von der Pädagogik absehend‘ – künftig mit Containern auf dem Schulhof und mittelfristig einem weiteren Ergänzungsgebäude auf unserem großzügigen Schulgelände – zweifellos die kostengünstigste Lösung. Das Schulamt ist erst gar nicht frühstücken gekommen. Zur Konferenz am Ende der Ferien waren die Stundenpläne fertig – in letzter Minute. Vakanzen konnten nicht früher besetzt werden oder bestehen weiter. Insofern beginnt das neue Schuljahr noch. Auf unserer ersten Personalversammlung nach zwei Schulwochen ging es um die permanent wachsenden Verwaltungsaufgaben, gerade zum Schuljahresbeginn. In Erinnerung ist die Klage einer jungen engagierten Kollegin, sie drohe unter der Belastung zusammenzubrechen. Das entspricht weitgehend den Ergebnissen einer Befragung des Kollegiums durch den Medical Airport Service, der als arbeitsmedizinischer Dienst im letzten Schuljahr eine Beurteilung zur Gefährdung durch psychische Belastungen durchführte.“

Zum selben Fazit kommt das Kollegium der Gesamtschule am Rosenberg in Hofheim in einer aktuellen Überlastungsanzeige:

„Wir zeigen Ihnen hiermit an, dass wir uns aufgrund der extrem gewachsenen Zahl an dienstlichen Aufgaben und deren Umfang nicht mehr in der Lage sehen, unsere Arbeit vollständig und in qualitativ angemessener Weise sowie mit der erforderlichen Sorgfalt auszuführen. Wir sehen unsere Gesundheit gefährdet.“

Während die Zahl der Klassen in den Grundschulen und in der Sekundarstufe I um 50 angestiegen ist (+ 2%), ist die Zahl der Lehrerstellen nach den vorläufigen Zahlen der Stellenzuweisung in diesem Bereich nur geringfügig um 12 Stellen angewachsenen (+0,5%), so dass man insgesamt von weiter steigenden Klassengrößen ausgehen muss. Zahlen über die Klassengrößen werden vom Kultusministerium seit Jahren nicht mehr vorgelegt. Die Durchschnittszahlen, die sowohl große Schulen in den Ballungsräumen als auch kleinere Schulen im ländlichen Raum vermengen, helfen hier nicht weiter. Eine zehnzügige IGS hat rein rechnerisch keine Möglichkeit, dass sie auch einmal in einem Jahrgang kleinere Klassen bilden kann, als es die Verordnung über die Klassenobergrenzen vorsieht. Damit ist es auch nicht möglich, Plätze für Quereinsteiger oder „Querversetzungen“ aus den Gymnasien vorzuhalten.

Betrachtet man die Stellenzuweisung außerhalb des Pflichtunterrichts, so verzeichnet die Stellenzuweisung eine bessere Zuweisung für Intensivklassen (+ 10 Stellen) und für Deutsch als Zweitsprache und Vorlaufkurse (+ 10 Stellen). Der Stellenzuwachs im Bereich der Ganztagsangebote (+ 14 Stellen) geht vor allem auf die Aufnahme zusätzlicher Schulen in den Pakt für den Nachmittag zurück. Im Bereich des Inklusiven Unterrichts, der sowohl die Beratung durch das Personal der Beratungs- und Förderzentren (BFZ) als auch die gemeinsame inklusive Beschulung umfasst, ist die Zahl der Stellen unverändert, obwohl die Zahl der Kinder an Förderschulen rückläufig ist (-17%). Allerdings sind diese Zahlen mit großer Vorsicht zu bewerten, da viele Entscheidungen erst am Anfang des Schuljahres fallen.

 

Inklusive Schulbündnisse

Zu Beginn des neuen Schuljahres trat auch die lange überfällige Verordnung über die Aufgaben und die Organisation der inklusiven Schulbündnisse in Kraft (Amtsblatt 7/2019).

In den Kreisen Groß-Gerau und Main-Taunus wurden je vier inklusive Schulbündnisse (iSB) gebildet. Die „Implementierungsphase“ wurde im Schuljahr 2018/19 abgeschlossen. In den iSB sind alle allgemeinen Schulen, die Beratungs- und Förderzentren (BFZ) und die beruflichen Schulen einer Region zusammengeschlossen. Sie sollen die Arbeit im Bereich des inklusiven Unterrichts koordinieren und insbesondere die Kriterien für die Verteilung der Ressourcen im Bereich der sonderpädagogischen Förderung festlegen:

„Die inklusiven Schulbündnisse legen verbindliche, regionale Kriterien zur jährlichen Verteilung der Gesamtressource aller sonderpädagogischen Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsleistungen (…) sowohl an allgemeinen Schulen als auch an Förderschulen fest.“ (§ 3 Abs.4)

Die GEW und die GEW-Mitglieder im Gesamtpersonalrat, der an der Verteilung der Ressourcen mit beratender Stimme mitwirkt und die Mitbestimmungsreche beim Personaleinsatz wahrnimmt, werden sehr genau beobachten, wie sich diese Arbeit in den iSB entwickelt. Ob diese Konstruktion zu mehr gemeinsamer Verantwortung aller Schulen und Schulformen für die Inklusion führt oder nur ein Zeitfresser ohne praktische Konsequenzen sein wird, wird vor allem auch vom Engagement der allgemeinen Schulen abhängen.

Wir verweisen besonders auf eine neue Sonderzuweisung für „Koordinationsstunden iSB". Der Umfang der Sonderzuweisung kann bei den Schulleitungen erfragt werden. Die Sonderzuweisung ist nach einer Verfügung des Staatlichen Schulamts Rüsselsheim vom 2.8.2019 für „begleitende und unterstützende Aufgaben im Sinn der inklusiven Beschulung" zu verwenden. An erster Stelle wird dort die Verwendung für „die Freistellung von Lehrkräften zur Übernahme koordinierender Aufgaben mit anderen Lehrkräften, z.B. Teamzeiten, Koordinationszeiten mit rBFZ" genannt. Die Stunden werden sicher nicht ausreichen, um die zahlreichen Koordinationspflichten im Rahmen des inklusiven Unterrichts und die zusätzlichen Verpflichtungen der Schulleitungen auszugleichen, aber es ist doch ein erster Schritt. Für uns ist klar, dass Personalräte und Konferenzen hier informiert und eingebunden werden müssen.

 

GEW fordert Transparenz der Stellenzuweisung

Die Transparenz der Zuweisung von Lehrerstellen zur Abdeckung des Unterrichts und aller unterrichtsbegleitenden Maßnahmen, des Zuschlags zur Grundunterrichtsversorgung von 4 Prozent bzw. 5 Prozent an Selbstständigen Schulen und der Deputate hat für die GEW eine sehr hohe Priorität. An dieser Stellen wissen wir uns sehr einig mit dem Hessischen Kultusministerium (HKM). Unmittelbar vor den Sommerferien erhielten alle Schulen vom HKM in der Mail „Neue Sollmitteilung zum 1.8.2019" ihre Stellenzuweisung für das Schuljahr 2019/2020. Diese ist auch Grundlage der Soll-Ist-Bilanz, die von allen Schulleitungen auf der Plattform PPB (Planung Personal Budget) aktuell abgerufen werden kann. Wir verweisen auf den folgenden Schlusssatz der Mail: 

„Wir bitten Sie, die Höhe und Zusammensetzung der Zuweisung für das kommende Schuljahr auch den verschiedenen Gremien Ihrer Schule transparent darzustellen."

Die Handreichung der GEW „Stellenzuweisung und Deputate transparent machen“ wurde Anfang des Schuljahres allen Schulvertrauensleuten zur Verfügung zugesandt. Sie soll Konferenzen, Personalräte oder Elternbeiräte in die Lage versetzen, ihre Mitbestimmungsrechte nach dem Hessischen Schulgesetz und dem Hessischen Personalvertretungsgesetz wahrzunehmen. Die Handreichung der GEW beantwortet unter anderem folgende Fragen:

  • Was ist die Grundunterrichtsversorgung und wie wird sie berechnet?
  • Welche Zuweisungen gibt es für besondere Aufgaben?
  • Was ist die zusätzliche Zuweisung von 4 bzw. 5 Prozent?
  • Wofür darf dieser Zuschlag verwendet werden und wer entscheidet über die Verteilung?
  • Welche Rechte  haben die Kollegien und die Personalräte?
  • Welche Deputate stehen für die Mitglieder der Schulleitungen und für besondere Aufgaben von Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung?

Generell fordert die GEW, dass die Deputate für besondere zusätzliche Aufgaben, die die Belastung in den letzten Jahren deutlich nach oben geschraubt haben, für Kolleginnen und Kollegen, aber auch für die Schulleitungen erhöht werden. Missgunst und Ärger wachsen immer aber dann in besonderem Maß, wenn die Ressourcen und ihre Verwendung im Interesse von Schülerinnen, Schülern und Beschäftigten nicht transparent dargestellt werden.

Die Handreichung enthält zahlreiche Erklärungen und anschauliche Rechenbeispiele und ist auch Thema bei den nächsten Treffen und Schulungen der Personalräte und Vertrauensleute der Schulen im Krei Groß-Gerau und im Main-Taunus-Kreis (siehe unter Aktuell).

Harald Freiling

 

HPVG-Schulung für Personalräte der Schulen im Main-Taunus-Kreis:

Mittwoch, 30.10. 9.30 bis 16 Uhr, Kreishaus Hofheim

Eine Anmeldung ist erforderlich:
  gewschmidbauer@t-online.de

 

Treffen der Personalräte und GEW-Vertrauensleute im Kreis Groß-Gerau:

Mittwoch, 13.11., 15 bis 17.30 Uhr in der Martin-Buber-Schule Groß-Gerau

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

 

Details zu den aktuellen Themen und zu den Freistellungsmöglichkeiten für Personalräte nach § 40 HPVG findet man auf der Homepage der GEW unter www.gew-gg-mtk.de.

 

Einladungen und regelmäßige Informationen erhalten Sie auch über den Mail-Verteiler der GEW für Personalräte und für aktive GEW-Mitglieder vor Ort.
Wenn Sie dort noch nicht verzeichnet sind oder wenn Sie aus dem Verteiler gestrichen werden wollen, schicken Sie eine Mail an: 
freiling.hlz@t-online.de.